Kaiping ist für chinesische Verhältnisse eine sehr kleine Stadt – knapp 700.000 Menschen leben hier. Es liegt in Südchina in der Provinz Guangdong und ist bekannt für seine sonderbaren Häuser. Diese sogenannten „Diaolou“ sind befestigte Wohntürme mit mehreren Etagen. Sie wurden vor allem von reichen Überseechinesen gebaut, weswegen sie auch verschiedene architektonische Einflüsse haben. Typisch für die Diaolou sind ausladende, schon fast palastartige Dachetagen, wohingegen die unteren Etagen häufig recht schmucklos sind. Viele der noch erhaltenen Diaolou wurden aus Stahlbeton errichtet und mit Stahltüren gesichert, teilweise befanden sich auf ihnen auch Kanonen und Scheinwerfer, um potenzielle Diebe abzuhalten und notfalls auch mit Waffengewalt zu vertreiben.
Es gab aber auch Türme, die hauptsächlich zu Wohnzwecken gebaut wurden und um den Reichtum der Besitzer zu zeigen, und das in den unterschiedlichsten Designs, so dass eine einzigartige Verbindung zwischen chinesischer und westlicher Architektur entstand. So konnte ein luxuriöser Diaolou-Komplex durchaus eine Größenordnung von mehr als 10.000 qm haben, inklusive Villen, Gärten, Bewässerungssystem und Brücken.
Diese Diaolous, von denen noch 1.833 Exemplare rund um Kaiping erhalten sind, kombinieren europäische, orientalische und chinesische Elemente. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Chinesen, die ihre Heimat vorübergehend verlassen hatten und mit dem im Ausland verdienten Geld in und um Kaiping später Häuser bauten, Stilelemente aus ihren Gastländern mitbrachten.
Die Diaolou, die im übrigen auch Teil des UNESCO-Weltkulturerbes sind, säumen die einzigartige Landschaft um Kaiping herum – ich kann nur empfehlen, sie sich mal anzuschauen, sie sind eine Reise allemal wert! Am besten erreicht man Kaiping von Guangzhou (Kanton) aus. Zum Beispiel als Verlängerung unserer Reise „Erlebnis China“
Häufig werden heute auch die wehrhaften Wohntürme in anderen chinesischen Provinzen „Diaolou“ genannt. Gemeinsam ist allen die Wehrhaftigkeit.
碉 樓: Diao Lou:
Eine alte Legende zufolge erinnert der Name Diaolou an eine Frau zurück, die sich von einem Turm stürzte, weil sie ihren Gatten und ihre Söhne nicht an Räuber verraten wollte. Das Wort Diao ist homonym zu einem entsprechenden chinesischen wort für „fallen“. Konkret bedeutet das Schriftzeichen 碉, das heute kaum noch in Gebrauch ist, „Gebäude aus Stein“.
Gastbeitrag von Jochen Mittelberger, China-Experte und Taichi-Lehrer